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Iran (April 2009)

bleibt alles anders!

Im April 2009 verbrachten wir zwei viel zu kurze Wochen in Iran, genauer gesagt in den Städten Teheran, Isfahan, Yazd und Shiraz. Bevor ich auf unsere Eindrücke, Bekanntschaften und Erfahrungen eingehe, möchte ich einen kurzen geschichtlichen Abriss der letzten 100 Jahre geben, der vieles, was wir heute an Irans Aussenpolitik nicht verstehen können, in einem anderen Licht darstellt:

1921-26: Die politische Hintergrundstimmung eines zerbrechenden osmanischen Reiches und einer aufstrebenden Sowjetunion in der "Nachbarschaft" und wachsender parlamentarischer Umtriebe, separatistischen Bewegungen und Aufständen im Inland beherrschte den Anfang der 20er Jahre im Iran. Von wirtschaftlichen und politischen Interessen getrieben versuchte Großbritannien, durch die Führung und Förderung der iranischen Armee, Ruhe in der Region einkehren zu lassen. Mit Amtsantritt des ehemaligen Oberbefehlshabers der Armee - Reza Khan (später nach Einführung den Familiennamens nach westlichem Vorbild Reza Pahlavi) - als Premierminister endete de facto die Herrschaft des letzten Quadjaren-Shahs Ahmed, welcher wenig später ins pariser Exil ging, wo seine "Rente" von der britischen Staatskasse gezahlt wurde.
Reza Khan plant, Iran von einer Monarchie in eine Republik nach westlichem Vorbild umzugestalten, scheitert jedoch letzendlich an intriganten Vertretern des Klerus, allen voran Hassan Modarres, der durch beleidigendes und provokantes Verhalten im Parlament die Befürworter der Republik soweit diskreditiert, dass sich dieses System - als vermeintlich von nicht gottfürchtigen Menschen unterstützt - nicht durchsetzen kann.
Nach der Absetzung des im Exil befindlichen Quadjarenherrschers beschloss das Parlament, wenn schon keine Republik möglich war, Reza Pahlavi zum Shah zu krönen.
1926-1941: Während seiner Amtszeit gestaltet Reza Shah Pahlavi das Land nach Vorbild der westlichen Nationalstaaten um, führt bespielsweise den Famiiliennamen ein, sowie die Hutpflicht für Männer und - man lese und staune - das Tschador-Verbot für Frauen. Erste Zwistigkeiten mit den Westmächten und der UdSSR werfen Ihre Schatten voraus, als Iran zum Beginn des zweiten Weltkriegs seine Unabhängigkeit erklärt. Das damalige Deutsche Reich war wichtigster Aussenhandelspartner von Iran und die Anglo-Iranian-Oil-Company, welche von Großbritannien kontrolliert wurde, führte Irans gesamte Erdölgeschäfte.
Um einen von Iran nicht gewährten Nachschubweg für die UdSSR zu schaffen, marschieren letztere und Großbritannien im August 1941 in Iran ein. In der Folge wurde Reza Shah Pahlavi zur Abdankung gezwungen und sein Sohn als Nachfolger eingesetzt.
1941-1951: Nachdem Iran 1943 formal dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hatte, und der Nachschubkorridor für die UdSSR zugestanden worden war, unterzeichneten Stalin, Roosevelt und Churchill das "Drei-Mächte-Abkommen", in dem Iran nach Kriegsende die Rückgabe der territorialen Souveränität nebst Kriegsentschädigungen zugesichert wurden.
Die 1908 gegründete Anglo-Inranian Oil Company AIOC beutete nunmehr seit fast einem halben Jahrhundert das Land systematisch aus und führte nur wenige Prozent der ohnehin nicht klar ersichtlichen Gewinne an den Staat Iran ab. Mohammed Mossadegh, iranischer Premierminister, veranlasste 1951 die Verstaatlichung dieses Unternehmens, was die CIA-Operation "Ajax" zur Folge hatte, die Mossadegh stürzte und den zwischenzeitlich ins erste Exil geflohenen Mohammed Shah Pahlavi reintronisierte.
1951-1979: Mohammed Shah Pahlavis Politik bescherte ihm im eingenen Lande zunehmen Kritiker, besondes aus den konservativen, nationalen und klerikalen Lagern: Seine demonstrative Nähe zu den USA (welche ihn ja de facto eingesetzt hatten) stieß diese Kreise ebenso vor den Kopf, wie seinen aufwendigen Lebensstil, überzogen generöse Feierlichkeiten zum 2500jährigen Bestehen der Persischen Monarchie und der Versuch, den islamischen Hidschra-Kalender gegen einen Kallender zu ersetzten, der die Krönung von Kyros zum Ausgangsounkt nahm.
Dieser offensichtliche Größenwahn in Verbindung mit einer zusehends verschlechterten wirtschaftlichen Lage der iranischen Bevölkerung zu Gunsten des ohnehin wohlhabenden Auslands mit dem alleinigen Ziel der persönlichen Bereicherung führte nicht nur zu den Demonstrationen in Berlin, die schließlich die Ermordung Benno Ohnesorgs und das Erstehen der APO und später RAF zu Folge hatten, sonder bereitete seinen Widersachern in klerikalen Kreisen den Nährboden, der letztendlich zur islamischen Revolution von 1979 führen mußte.
1979-heute: Als vermeindliche Retter der iranischen Ehre und der islamischen Werte kamen Ayatollah Ruholla Moussavi Chomeini und schließlich der heutige Regierungsapparat Irans an die Macht in der Islamischen Republik. Während die Regierung der letzten Quadjaren wie auch der Pahlavi-Dynastie im Wesentlichen davon geprägt war, das Land und seine Bewohner als Privateigentum zu betrachten, und nach Möglichkeiten auszunehmen wie eine Weihnachtsgans, pflegt die Regierung der Islamischen Republik unter dem Vorwand der angeblich drohenden Verwestlichung, des Identitätsverlustes und des Erhalts der Ehre des iranischen Volkes den Machterhalt mit Hilfe von allen Formen staatlicher Gewalt:
Das skrupellose Vorgehen gegen Systemkritiker beinhaltet Haft, Folter und Mord, die ehemaligen Revolutionsgarden - die Pasdaran - sorgen heute - mal mehr, mal weniger präsent - für die gelebte Linientreue auf den Straßen der Großstädte, derweil das Groß der klerikalen Machthaber im selben Reichtum badet wie einst die Dynastien vorher. Das Volk hungert wie eh und je.


In Iran everyone has got freedom of expression -
but not freedom after expression.

Ali Esfahani, 25.06.09


unsere Eindrücke und Erfahrungen:
Zu allererst: Jeder Reisebericht oder Reiseführer beginnt mit den inzwischen abgedroschenen Phrasen der angeblichen Bekannten "Oh, mein Gott, warum ausgerechnet Iran? Willst Du entführt, gesteinigt oder gar erdolcht werden?" oder ähnliches wird dem Bekanntenkreis der heldenhaften Verfasser von Iranreiseberichten in den Mund gelegt. Unglaublich kann ich nur sagen, wie man doch nach all den VW-BUssen voller nakter Hippies, die auf dem Weg nach Indien das Land heimsuchten, immer noch dem Meinung sein kann, eine Reise nach Iran habe etwas mystisches, abenteuerliches, ja heroisches an sich, etwa wie Bilbos Marsch nach Mordor!
Alles Quatsch! Inzwischen kann man "8 Tage Iran all-inclusive zzgl. Unkostenbeitrag f. Tagesausflug Persepolis" bei Karstadt-Travel buchen, man kann aber auch ganz normal in ein x-beliebiges Resiebüro gehen, einen Flug buchen und ein paar Tage vor Abflug in Teheran in enem Hotel anrufen und ein Zimmer reservieren. Genauso einfach wie im Schwarzwald oder in der Dom.Rep.!
Nichts desto trotz war das einer der schönsten und menschlich nachhaltigsten Auslandsaufenthalte, die wir je erlebt haben, deswegen möchten wir Euch daran unbedingt teilhaben lassen!

Im April 2009 befand sich Iran am Vorabend zu den Parlamentswahlen. Am Ende seiner ersten Amtszeit wurde Mahmoud Ahmadinedschad u.a. von Mir Hussein Moussavi herausgefordert, welcher im allerallerersten Golfkrieg unter Chomeini schon mal Premierminister war, bis dieses Amt abgeschafft wurde.
Es ist ein altbekannter Trick von Diktaturen, vor Wahlen, wie frei, geheim und wirkungsvoll sie auch immer sein mögen, die Zügel etwas lockerer zu lassen, um etwaige Zweifler am System doch noch zu gewinnen. Nach den Wahlen werden traditionsgemäß die Zügel dann wieder fester angezogen...
So verwundert es nicht, dass zwar zwischen 2005 und 2006 in Iran jede Menge Teehäuser geschlossen wurden - dem gerade gewählten Präsidenten Ahmadinedschad passte wohl das darin versammelte intelektuelle Klientel nicht so recht in die Doktrin - wir aber im Frühjahr 2009 keinen einzigen Passdaran (religiösen Sittenwächter) auf den Straßen gesehen haben.

Nun, die Iraner, die wir getroffen haben, sind fast ausnahmslos offen, interessiert und dem heutigen System eher abgeneigt, jedoch muss ich zugeben, dass unsere Wahrnehmung durch die Sprachbarriere massiv gefiltert sein muss: Unsere Bekanntschaften konnten ausnahmslos (sehr gutes) Englisch und verfügen daher über ein gewisses Bildungsniveau und damit eine gewisse Fähigkeit zum eigenständigen Denken. Dass der klassische Malocher auf dem Land ihre Haltung und Meinungen nicht teilt, ist mit Sicherheit war, aber dennoch wurden wir noch nirgendwo auf der Welt so häufig - in der Tat oftmals am Tag - von Wildfremden angesprochen und nach ersten Höflichkeiten sofort nach politischen Ansichten gefragt.
Auf der anderen Seite wohnt vielen Iranern der Wunsch inne, dass ihr Land endlich (auf politischer Ebene) von Europa und den USA mit Respekt behandelt wird - aufgrund der Erfahrungen mit dem Westen aus dem letzten hundert Jahren durchaus ein verständlicher Grund zu einer gewissen Zurückhaltung gegenüber westlichen Staatsmächten, Medien und natürlich auch Lebensweisen!


... to be continued!

Literaturempfehlungen:
* Shirin Ebadi - Mein Iran
* Bruni Prasske - Mögen Deine Hände niemals schmerzen * Bruni Prasske - Küsse in der Moschee